Der internationale Durchbruch
Erfolgreich in Skandinavien -
schön und gut. Doch auch ein Außenstehender kann sich ausrechnen, dass
dies nur die halbe Miete ist: Die Märkte im Norden Europas sind einfach
zu klein für eine Popband. Die eigentliche Musik spielt in Mitteleuropa
und in den USA. Darüber waren sich auch Ace of Base schon immer im
klaren. Mit aller Gewalt übers Knie brechen wollte den internationalen
Durchbruch trotzdem niemand. Eine behutsame Eroberung der verschiedenen
Hitparaden erschien allen Beteiligten die bessere Lösung. Und diese
Rechnung sollte aufgehen. Heute gesteht Jonas Berggren: "Gott sei
Dank hat sich das alles Schritt für Schritt entwickelt. Unser
Erfolgerreichte ein Land nach dem anderen, so dass wir das alles nach und
nach in Angriff nehmen konnten. Auf der einen Seite hat es so zwar länger
gedauert, bis wir international erfolgreich waren, aber andererseits
konnten wir dadurch zuerst in kleineren Ländern wie Dänemark und
Norwegen lernen, wie man mit der Presse umgeht, vor der Kamera steht und
so weiter. Wir konnten unsere Fehler dort machen."
Die
haben sich allerdings in Grenzen gehalten, wenn man einmal davon absieht,
dass Ulf Ekberg im Frühjahr 1993 in den heimischen Medien brutal mit
seiner Vergangenheit konfrontiert wurde. Denn anders als die christlich
wohlerzogenen Berggrens war der heute so ruhige und zurückhaltende Ulf in
seinen jungen Jahren recht flippig. Bereits im Alter von 13 Jahren wusste
er nur zu genau, wie Alkohol wirkt. Auch mit Marihuana und Hasch machte er
Bekanntschaft. Was folgte, war die übliche "Karriere" der
Straße: Raubüberfälle, Diebstähle und Pöbeleien gehörten zum
täglichen Leben des jungen Ulf. zu allem Übel schloss er sich als
16jähriger auch noch einer Skinheadgruppe an, die neonazistisch
angehaucht war. In den folgenden Jahren beteiligte sich Ulf Ekberg aktiv
an rechtsextremen Aktionen, er grölte fremdenfeindliche Hetzparolen und
verteilte rassistische Flugblätter. Er war also auf dem besten Weg dazu,
völlig auf die schiefe Bahn zu geraten. Mit 18 Jahren hatte er schon
zehnmal vor Gericht gestanden und war fünfmal zu Geldstrafen verurteilt
worden, unter anderem wegen unerlaubten Waffenbesitzes.
Erfolgreich in Skandinavien -
Als
jedoch 1988 bei einer Messerstecherei einer seiner Freunde umgebracht
wurde, kam Ulf zur Besinnung und fand endlich die Kraft, sich aus seinen
alten Kreisen zu lösen und ein neues Leben zu beginnen. Zum Glück für
ihn und alle Popfans traf er in dieser Zeit auf Jonas Berggren. Fast
überflüssig zu erwähnen, daß sich Ulf heute um 180 Grad gewandelt hat.
Ich distanziere mich heute von meinen Jugendsünden", sagte er der
Jugendzeitschrift BRAVO im April 1993, als seine Vergangenheit ans Licht
der Öffentlichkeit kam. "Ich schäme mich sehr dafür, kann sie aber
nicht mehr ungeschehen machen. Bei den Skins war mir Politik immer total
egal, auch die Ansichten der Leute interessierten mich nicht. Ja, ich habe
"Sieg Heil" geschrieen, damit konnten wir die Leute provozieren.
Das war alles, was wir wollten. Ich habe mich damals wie ein Schwein
benommen. Leider kann ich mein Leben nicht noch einmal von vorne leben.
Das einzige, was ich versuchen kann, ist, anderen zu einem besseren Leben
zu verhelfen."
Die Menschen in seinem Umfeld
haben ihm längst verziehen, Jenny Malin und Jonas sowieso. Für den
weltweiten Erfolg waren die jugendlichen Entgleisungen von Ulf zum Glück
kein Hemmschuh. Auch nach ihrem Bekannt werden räumten Ace of Base ab, wo
immer sich ein Hitparade fand. Logisch - wer kann sich schon den
Ohrwürmern aus der Göteborger Hitfabrik entziehen? Ein Grund für ihre
Beliebtheit ist aber auch die Tatsache, daß alle vier trotz der riesigen
Erfolge normal geblieben sind. Star-Allüren gibt es bei Ace of Base
nicht. Jonas zum Beispiel sieht dafür auch gar keinen Grund: "Bisher
hat sich noch nicht viel verändert. Ich bin nur nicht mehr ganz so arm
wie vorher. Ein bisschen Angst haben wir höchstens, dass durch den Erfolg
einmal unser Privatleben leiden könnte. Aber eigentlich läuft alles ganz
toll."
Freilich mussten die Musiker erst verkraften,
dass inzwischen überall, wo immer sie auch hinkamen, ein Riesenwirbel um
sie gemacht wurde. "Wir haben gelernt, mit der Situation umzugehen.
Wir sind besser organisiert und haben uns an die Rolle der Pop-Künstler
gewöhnt. Ich meine, der Erfolg kam schon ziemlich plötzlich, und wir
mussten uns erst daran gewöhnen, in der Öffentlichkeit zu stehen.
Inzwischen gehört es zum Alltag. Am Anfang war alles so hektisch, jetzt
gefällt mir das schon besser", sagt Jonas zufrieden.
Doch
auch die Schattenseiten, die jede Karriere mit sich bringt, müssen Malin,
Jenny, Jonas und Ulf verkraften. Nicht alles, was einst
selbstverständlich war, ist heute noch problemlos zu machen. "Ich
vermisse es schon, einfach mal mit meiner Freundin einen Kaffee zu
trinken. Das geht dann eben nicht, weil wir in einer ganz anderen Stadt
sind. Oder wenn man erkältet ist, dann kann man sich nicht einfach ins
Bett legen. Man muss auftreten und singen", erzählt Jenny. Sie
leidet als äußerst geselliges Mädchen besonders unter den Abstrichen,
die sie im Privatleben machen muss. Um nicht völlig vom normalen Leben
abgeschnitten zu sein, hat sie erkannt: "Man kann bis zum umfallen
arbeiten, wenn man will. Man muss aber einfach lernen, auch mal nein zu
sagen. Wir haben deshalb jetzt auch ab und zu ein paar Wochen Freizeit
eingeplant. Denn wenn der ganz große Erfolg uns keine Freizeit mehr
erlaubt, dann sind wir bald auch nicht mehr erfolgreich. Wir werden keine
Freunde mehr haben, wenn wir uns nicht um sie kümmern. Und um als Band zu
bestehen, brauchen wir auch Zeit für uns und unsere Freunde."
Für Bruder Jonas allerdings sind Beruf und Hobby
dasselbe. Musik machen und Pin-Ball spielen, gibt er als die
Beschäftigungen an, die er am liebsten in seiner Freizeit macht. Auch
Konzerte von anderen Künstlern besucht der 27jährige Vollblutmusiker
gerne. "U2 im Wembley-Stadion - das habe ich mir angesehen. Jenny
dagegen versäumt es nicht, Whitney Houston einen Besuch abzustatten, wann
immer die Möglichkeit besteht: "Durch unsere Plattenfirma haben wir
schon ab und zu Gelegenheit, Konzerte von anderen Künstlern zu sehen. Das
ist ja auch wichtig. Wir haben uns auch die Show von Magier David
Copperfield angesehen."
Die
Sonnenseiten des Erfolges wissen Ace of Base zu schätzen. Anstatt jedoch
damit zu protzen, genießen sie es einfach. "Natürlich verändert
man sich durch so einen Erfolg ein wenig", gesteht Jonas. "Vor
einigen Jahren wäre ich niemals in so feinen Hotels abgestiegen, wie es
jetzt bei uns üblich ist." Man gönnt sich ja sonst kaum etwas...
Trotzdem schränkt er sofort wieder ein: "Aber wenn wir mit dem
nächsten Album nicht die Erwartungen erfüllen können, die jeder an uns
hat, dann sind wir erst einmal weg vom Fenster. Dann fangen wir eben
wieder von vorne an. Eigentlich sind es mehr die Leute um einen herum, die
sich verändert haben. Sie halten dich plötzlich für einen Star, und
irgendwie haben sie Schwierigkeiten damit, einen Pop-Star zum Freund zu
haben."
Alle Musiker haben Vorbehalte gegenüber
oberflächlichen neuen Bekanntschaften. Jenny traut diesem Frieden nicht:
"Man weiß ja nie, ob man diese Freunde auch dann noch hat, wenn es
mit dem Erfolg vorbei ist."
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